Wo bitte geht es denn nach New Work?

„Alle zehn Jahre wird eine neue Begriffssau durchs Management-Dorf gejagt“, konstatierte Stefan Kühl vor einigen Jahren in einem Interview (Weilbacher 2017). 

Agilität, Arbeit 4.0 und New Work zählen zu eben diesen Begriffen, die für eine vermeintlich neue Konfiguration von Mensch und Organisation und für einen grundlegenden Wandel der Arbeitswelt stehen. Insbesondere New Work wird als Sammelbegriff für eine Vielzahl moderner Arbeitsmethoden- und Konzepte verwendet und weckt darüber hinaus Assoziationen zu hippen Bürolandschaften mit Kickertisch in der Lounge-Ecke und Mitarbeitenden in Shorts am Rechner. Wer jedoch eine eindeutige Definition in der wissenschaftlichen und forschungsorientierten Literatur zu finden gedenkt, sucht vergebens.

Was zunächst nach einem neuen Trend klingen mag, führt auf den Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück, der bereits vor 30 Jahren den Begriff „New Work“ prägte. Nach den Massenentlassungen in Flint (Michigan) in den 1990er-Jahren, unter anderem bei General Motors, stellte sich Bergmann die Frage, mit welchen gesellschaftlichen Veränderungen zu rechnen ist, wenn Technisierung und Automatisierung klassische Arbeitsverhältnisse ablösen. Er beschäftigte sich intensiv mit der Beziehung zwischen Mensch und Arbeit und stufte das bisherige Arbeitssystem als veraltet ein (Bergmann 2004). Bergmann forderte mehr Freiheit und Selbstbestimmung für die Mitarbeiter und entwickelte ein alternatives Modell zur Lohnarbeit, welches er als „Neue Arbeit“ betitelte. Er führte unterschiedliche New Work Projekte durch und kam zu dem Ergebnis, dass bedeutungsvolle Arbeit die Menschen begeistert und positive Auswirkungen auf deren Psyche hat (Bergmann 2019, S. 13).

Befasst man sich jedoch intensiver mit dem Thema New Work, wird recht schnell deutlich, dass die heutige Interpretation nur noch wenig mit dem ursprünglichen Gedanken von Bergmann zu tun hat. Denn Unternehmen bestreben nicht die Abhängigkeit von der Lohnarbeit, sondern verstehen unter New Work eine bunte Palette von organisationalen Entwicklungsmaßnahmen. Die Forderung Bergmanns nach Selbstbestimmung und dem Sinn in der Arbeit ist jedoch in den meisten New Work Ansätzen erhalten geblieben.

Für viele Menschen ist Arbeit heute ein wesentlicher Bestandteil der eigenen Selbstdefinition. Viele Arbeitnehmer wünschen sich im Job die eigene Persönlichkeit, Fähigkeiten und Kompetenzen zum Ausdruck zu bringen (vgl. Hackl et al. 2017).

Wie also wird New Work in der Praxis umgesetzt und was motiviert Unternehmen, diese zu verwirklichen?

Die Unternehmensberatung Kienbaum befragte beim „New Work Pulse Check 2017“ 112 Unternehmen zum Thema New Work und kam zu dem Ergebnis, dass sich 74% der Unternehmen zwar des Themas angenommen, sich die Ausgestaltung bislang jedoch lediglich auf Homeoffice-Regelungen und mobiles Arbeiten beschränkt (Kienbaum 2017).

Kein schlechter Anfang, denn immer mehr Menschen wünschen eine bessere Vereinbarkeit von Familien-und Berufsleben. Digitalisierungsprozesse und Cloud-Computing erleichtern den Trend zum ortsungebundenen Arbeiten und rücken flexible Arbeitszeitmodelle in den Fokus. Doch seine Mitarbeitenden mit einem ipad in der Hand ins Homeoffice zur Lohnarbeit zu schicken, ist nicht ganz das, was Frithjof Bergmann unter New Work verstanden hat.

New Work sei „Lohnarbeit im Minirock“ klagte er in einem Interview mit dem Personal Magazin, etwas, „was die Arbeit ein bisschen reizvoller macht. Und das ist absolut nicht genug.“ (Personal Magazin, 9/2018, S. 38).

Und mehr noch. Aufgrund des demografischen Wandels hat sich der Arbeitgebermarkt längst zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt und zwingt Unternehmen zu Maßnahmen, die qualifizierte Mitarbeiter nachhaltig an das Unternehmen binden.

Es geht hier also nicht allein um wirtschaftliche Aspekte, die dem Wunsch entsprechen, die Arbeitgeberattraktivität und Produktivität der Mitarbeitenden zu steigern. Sondern vielmehr darum, das Arbeitsumfeld derart zu gestalten, dass Mitarbeitende mehr Kompetenz, Bedeutsamkeit, Selbstentfaltung und Einfluss erleben können. Arbeit soll Freude bereiten und nicht als Last empfunden werden, der nur mit Krankheit, Urlaub oder Ruhestand aus dem Weg gegangen werden kann (vgl. Hackl et al. 2017; Schermuly 2019; Väth 2016).

Fest steht, dass wir noch ein gutes Stück des Weges zu gehen haben, bis wir angelangt sind – im wunderbaren New Work. Aber mit einem humanistischen Mindset im Gepäck als Wegbereiter für eine moderne Organisation, werden wir wohl bestens ausgerüstet sein.

Aristoteles wusste dies etwas kürzer zusammenzufassen:

 „Freude an der Arbeit lässt das Werk trefflich geraten.“ 

In diesem Sinne…

Veröffentlicht von Eva Maria Klimpel

 

Literaturverzeichnis

Bergmann, F. (2017): Neue Arbeit – Neue Kultur (6. Aufl.). Freiburg: Arbor.

Hackl, B. et al. (2017): New Work: Auf dem Weg zur neuen Arbeitswelt. Springer Gabler, B.

Hornung, Stefanie:”Für viele ist New Work etwas, was Lohnarbeit ein bisschen reizvoller macht, quasie Lohnarbeit im Minirock“. In: Personal Magazin, 9/2018, S. 38

Kienbaum, F. (2017): New Work Pulse Check 2017. (URL: https://www.kienbaum.com/de/blog/new-work-pulse-check/ [letzter Zugriff: 15.06.2019]).

Schermuly, C. C. (2019): New Work − Gute Arbeit gestalten. Haufe-Lexware, Freiburg.

Väth, M. (2016): Arbeit – die schönste Nebensache der Welt − Wie New Work unsere Arbeitswelt revolutioniert. Gabal, Offenbach.

Weilbacher, J. C. (2017): Human Resource Manager Magazin. https:// www.humanresourcesmanager.de/news/die-agile-organisation- ist-kalter-kaffee.html?utm_source=Dark+Horse+Newsletter& utm_campaign=1c5a53a9b7-EMAIL_CAMPAIGN_2018_03_ 06&utm_medium=email&utm_term=0_038ce8fb5d-1c5a53a9b7- 132591525&mc_cid=1c5a53a9b7&mc_eid=603c9966ed#panel. Zugegriffen: 12. Nov. 2018.