Meine persönliche Motivation ist, dass ich von Anfang an Beides wollte. Kinder und Karriere. Und deswegen bekomme ich das auch hin.
Interview mit Tanja Fischer
Frau Fischer, Sie sind Partnerin bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft / Steuerberatungsgesellschaft Rödl und Partner. Ihren Partnertitel erhielten Sie hochschwanger mit dem ersten Kind. Gab es deswegen verwunderte Blicke?
Meine Schwangerschaft hat beim Ernennungsprozess keine Rolle gespielt und es ist kein Ausschlusskriterium Partner oder Partnerin zu werden, wenn man Familienwunsch hat. Es gibt auch Partnerinnen bei uns im Unternehmen, die Familie haben und in Teilzeit arbeiten.
Wie kann man an diesem großen Ziel arbeiten und gleichzeitig an Familienplanung denken?
Ich wusste von Anfang an, dass ich beides wollte; Familie und Karriere. Das hat sich nie ausgeschlossen. Außerdem hatten wir auch den Wunsch, mehr als ein Kind bekommen.
Ich musste nie überlegen „will ich das und krieg ich das hin“, weil mir klar war „wir schaffen das!“ Ich habe einen Mann, der mich voll unterstützt und arbeite in einer Partnerschaft in Köln, die sehr darauf bedacht ist, beides unter einen Hut zu bekommen.
Welche Strukturen im Unternehmen ermöglichen Ihnen die Vereinbarkeit von Kind und Karriere?
Mir wurde von Beginn an die Flexibilität angeboten, die ich benötigte. Ich hätte auch in Teilzeit zurückkehren können, habe aber recht schnell gemerkt, dass es funktioniert Vollzeit zu arbeiten, wenn man es gut organisiert und sich gegenseitig unterstützt. Außerdem würde ich vermutlich inhaltlich trotzdem 100% arbeiten und verzichte nur auf einen Teil meines Gehaltes. Ich bin mittlerweile auf einer Karrierestufe, bei der ich eigenmächtig und flexibel entscheiden kann, wann ich welche Arbeit erledige.
Es gibt außerdem im Unternehmen viele männliche Kollegen, die Kinder haben, deren Frauen auch berufstätig sind. Ein gewisses Grundverständnis ist vorhanden. Es war auch allen klar, dass ich als Mutter zumindest am Anfang länger zu Hause sein werde. Aber das wurde nicht beäugt, sondern befürwortet. Es ging nie um die Frage „bist du Mama oder Papa?“, sondern um die Frage „schaffst du deine Leistung oder nicht?“ Ich hatte immer den Rückhalt meiner Kollegen.
Wie lange waren Sie in Elternzeit? Hat Ihr Mann auch Elternzeit genommen?
Mein Mann hat bei beiden Kindern Elternzeit genommen.
Mit dem Großen war ich ein Jahr in Elternzeit und habe wieder begonnen zu arbeiten, als ich schon mit dem zweiten Kind schwanger war. Das haben meine Kollegen sehr gelassen aufgenommen. Ich habe vorher bereits angekündigt, dass ich nach dem Mutterschutz wieder in Teilzeit beginne. Und so habe ich 8 Wochen nach der Geburt meiner Tochter 8-10 Stunden in der Woche von zu Hause gearbeitet. Die Zeiten konnte ich mir so einteilen, wie es für mich gepasst hat. Wenn die Kinder noch so klein sind, schlafen sie viel und so war es für mich gar kein Problem. Nach 10 Monaten bin ich Vollzeit in das Unternehmen zurückgekehrt. Ich hatte großen Respekt davor, zwei Kinder in der Kita zu haben, weil dort viele Krankheiten kursieren. Aber auch da ist das Verständnis meiner Kollegen sehr groß, wenn ich mal mit zwei Magen-Darm kranken Kindern zu Hause nicht gut arbeiten kann.
Sie arbeiten beide in Vollzeit. Wie strukturieren Sie Ihren Tag?
In der Regel starten wir beide um 8 Uhr zu arbeiten. Wir sprechen uns täglich ab, wer welche Termine wo hat.
Wenn ich im Homeoffice bin, arbeite ich bis 16 Uhr ohne Pause durch und hole dann die Kinder. Sollte ich in den 8 Stunden nicht alles geschafft habe, was ich wollte, arbeite ich abends weiter. Wenn ich ins Büro fahre oder bei Mandanten bin, übernimmt mein Mann oder die Großeltern. So komme ich mindestens auf 8 Stunden Arbeit am Tag. Mir kommt die Flexibilität hybrid zu arbeiten sehr zugute. Des Weiteren ist es sehr hilfreich, dass wir digital so gut aufgestellt sind. So bin ich jederzeit auch mit dem Handy in der Lage, Telefonkonferenz wahrzunehmen, Kunden anzurufen, E-Mails zu checken und Termine zu vereinbaren.
Außerdem lege ich mir in die Fahrtzeiten zum Büro Telefonkonferenzen und nutze die Zeit effizient. So beginnt mein Arbeitstag nicht erst, wenn ich durchs Büro laufe, sondern sobald ich im Auto sitze.
Natürlich müssen mein Mann und ich uns regelmäßig abstimmen und organisieren, wer wann die Kinder bringt und holt. Zusätzlich haben wir eine Haushaltshilfe und unsere Großeltern, die uns an zwei Tagen in der Woche unterstützen. Manchmal sitzen wir am Abend gemeinsam am Küchentisch und jeder arbeitet noch, nachdem wir die Kinder ins Bett gebracht haben. Aber zum Glück kommt das nicht oft vor.
Werden Sie im privaten/beruflichen Umfeld manchmal mit Vorwürfen konfrontiert?
Unsere Kinder sind in einer Betriebskita und dort sind die meisten Eltern berufstätig.
Ich komme aus Berlin und meine Eltern aus den neuen Bundesländern. Es war dort ganz normal, dass meine Mutter schon früh wieder zu arbeiten begonnen hat. Meine Schwester und ich waren mit 3 Monaten in der Krippe und deswegen stellte ich mir die Frage nie, ob ich Kinder möchte oder meinen Job, weil ich von zu Hause wusste, dass beides geht. Meine Mutter ist Medizinerin und wenn sie über Nacht mal im Krankenhaus war, hat sich selbstverständlich mein Vater um uns Kinder gekümmert.
Aber natürlich habe ich im Bekanntenkreis schon gehört: „Wie kannst du dein Kind schon nach einem Jahr abgeben?“ Und es scheint auch üblicher zu sein, entweder deutlich länger zu Hause zu bleiben oder nicht Vollzeit wieder zu arbeiten. Wenn ich sage, dass ich Vollzeit arbeite, werde ich immer ganz erstaunt angesehen. Aber ich bin sehr stolz darauf. Auch wenn es mit Sicherheit manchmal anstrengend ist und man sich das als Paar gut überlegen muss. Aber wir kriegen das wirklich gut hin, weil wir uns zusammen organisieren und zusammen das gleiche Ziel verfolgen.
Voraussetzung ist die gegenseitige Unterstützung und ein Kita Platz bzw. später ein OGS Platz in der Schule.
Welche emotionalen Herausforderungen empfinden Sie?
Stress wenn die Kinder krank sind und hin und wieder Unsicherheit.
Es gibt Momente, in denen ich denke, dass ich weder dem Job noch den Kindern gerecht werde, weil ich bei beiden mehr sein könnte. Aber den Großteil der Zeit funktioniert es sehr gut. Ich merke, was meine Kinder für eine Beziehung zu mir haben und was mein Team für eine Beziehung zu mir hat und das spiegelt mir immer wieder, dass es klappt. Außerdem möchte ich Zeit für meine Kinder haben, mit ihnen am Nachmittag zum Spielplatz gehen und in den Urlaub fahren. Wir haben das Ritual, dass wir alle Mahlzeiten immer gemeinsam einnehmen. Das ist uns sehr wichtig.
Früher habe ich mir manchmal Gedanken gemacht, was die Kollegen sagen, wenn ich eher aus dem Büro gehe. Aber mittlerweile stehe ich da drüber, weil alle wissen, wenn es notwendig ist, arbeite ich auch mal aus dem Auto oder am Abend. Ich muss mich nicht rechtfertigen, weil alle wissen, dass ich es gut hinkriege. Ich bleibe in herausfordernden Situationen positiv und konzentriere mich auf das Wesentliche.
Natürlich ist es in Strecken manchmal anstrengend, vor allem wenn ein Kind krank ist. Aber unsere Rahmenbedingungen sind einfach gut, ich kann mich auf meinen Mann und die Betreuung verlassen und ich möchte das ja unbedingt. Mir macht mein Job einfach Spaß und ich schöpfe daraus Energie.
Was würden Sie anderen Frauen empfehlen, die Kind und Karriere vereinen möchten?
Meine persönliche Motivation ist, dass ich von Anfang an beides wollte. Und deswegen bekomme ich das auch hin. Die Zeit, die ich für mich habe, ist gegebenenfalls kürzer, aber dafür erfüllt mich meine Arbeit.
Wenn man als Frau Karriere machen möchte, muss man sich bemerkbar machen, auch wenn man möglicherweise eher introvertiert ist. Man muss dafür Sorge tragen, dass die Botschaft „ich will Karriere machen“ auch ganz klar ankommt. Denn es wird ganz sicher nicht passieren, dass jemand mit der Sänfte kommt, um einen abzuholen.
Man braucht aber auch ein Unternehmen, welches die Rahmenbedingungen dafür schafft und Frauen fördert. Nicht jede Frau will Karriere machen. Aber ein Kind ist kein Karriere Killer! Deswegen haben wir im Unternehmen ein Netzwerk gebildet, in dem wir anderen Frauen davon berichten, wie es funktioniert, mit Kindern in Teilzeit oder Vollzeit zu arbeiten und motivieren die Frauen, ihre Ziele klar zu äußern.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Kinderbetreuung. Die muss sichergestellt sein. Ich habe mir bereits in der Schwangerschaft die Kitas angeschaut und uns für einen Platz angemeldet.
Meine Mutter sagt mir immer, wenn ich nach einer anstrengenden Nacht mit großen Augenringen aufwache: „Die Zeit arbeitet für euch. Es bleibt nicht so anstrengend.“
Man braucht vor allem auch einen Partner, der das voll und ganz unterstützt, damit man sich zu Hause nicht in die Haare bekommt, wer welche Arbeitszeiten hat.
Wenn Sie Familienministerin wären, was würden Sie ändern?
Auf jeden Fall brauchen wir mehr Kitaplätze. Die Vergabe der Plätze scheint mir auch nicht ideal.
Des Weiteren habe ich damals bei der Beratungsstelle angerufen und erklärt, dass ich gerne in Teilzeit arbeiten würde. Da wurde mir gesagt, dass sie das nicht empfehlen, da es sich finanziell gar nicht rechnen würde. Solche Einstellungen und Systeme muss man mal rundum neugestalten und reformieren, um Anreize zu schaffen, wieder zu arbeiten – in welcher Form auch immer.